PM: Bundesweite Aktionstage gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse an Hochschulen - Studierende kritisieren Novelle des WissZeitVG

fzs e.V. presse at fzs.de
Mo Nov 30 10:47:58 CET 2015


Bundesweite Aktionstage gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse an 
Hochschulen - Studierende kritisieren Novelle des WissZeitVG

Am 1.12. findet in mehreren Städten ein Aktionstag für bessere 
Beschäftigungsbedingungen an Hochschulen statt. Im Kern geht es bei 
diesen Aktionen um Entlohnung, Entfristungen, eine angemessene 
Ausgestaltung von Stellen und demokratische Aushandlung der eigenen 
Arbeitsbedingungen im Rahmen von Tarifverträgen. Wo er noch nicht 
existiert, wird die Einführung des Tarifvertrags gefordert. An vielen 
Orten richtet sich der Protest gegen des Wissenschaftszeitvertragsgesetz 
(WissZeitVG) und das Tarifeinheitsgesetz, das nichts anderes als die 
Gängelung gewerkschaftlicher Arbeit darstellt.

Ronja Hesse, Koordination der Landesstudierendenvertretung, erläutert: 
„Die Arbeitsverhältnisse an Hochschulen sind absolut unhaltbar. 
Befristungen von wenigen Monaten sind inzwischen genauso die Regel, wie 
Halb-, Viertel- oder gar Dezimalstellen. Doch die Arbeit im Rahmen 
dieser Kleinststellen bedeutet keineswegs einen Zuwachs an Freizeit, im 
Gegenteil: Oft wird dennoch ein Arbeitseinsatz erwartet, der mindestens 
einer vollen Stelle entspricht oder sogar darüber hinausgeht. Im Rahmen 
der feudalen Verhältnisse an Hochschulen können die Arbeitgeber*innen 
sich gewiss sein, dass dieser Erwartung Folge geleistet wird. Wer nicht 
spurt, bekommt nach wenigen Monaten einfach den Folgevertrag nicht und 
darf nicht einmal bis zum Abschluss eines wissenschaftlichen Projektes 
weiter arbeiten. Studierende sind als sog. "Hilfskräfte" von diesen 
Problemen ebenso betroffen wie wissenschaftliche Beschäftigte. Auch 
Beschäftigte in Technik und Administration sind von einigen dieser und 
weiterer Probleme betroffen."

Marie Dücker, Vorstand des freien zusammenschluss von 
studentInnenschaften ergänzt: "Viele Probleme des wissenschaftlichen 
Personals ließen sich mit einer vernünftigen Reform oder einer 
Abschaffung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes lösen oder zumindest 
entschärfen. Leider ist die Bundesregierung nicht in der Lage, einen 
Entwurf vorzulegen, der diesen Ansprüchen genügt. Die faktische 
Maximalbeschäftigungszeit für alle Wissenschafter*innen, die keine 
Professur oder eine Stelle als Rat erhalten, muss wegfallen. Es kann 
nicht sein, dass an Hochschulen außer befristeter Beschäftigung und 
Professur nichts denkbar bleibt. Demgegenüber müssen klare Regelungen 
zur Mindestbefristungsdauer eingeführt werden. Darüberhinaus muss die 
Tarifsperre wegfallen, Befristungen müssen auch an Hochschulen Teil von 
Tarifverhandlungen werden. Dazu müssen für Student*innen überhaupt erst 
einmal wie in Berlin Tarifverträge eingeführt werden. Mit dieser 
Forderung sind die studentischen Hilfskräfte in Frankfurt bereits in 
einen Warnstreik gegangen, haben mehrfach unangekündigt den Senat 
besucht und dort interveniert. Im April haben Senate in Frankfurt und 
Marburg daher die Forderung nach einem Tarifvertrag für studentische 
Hilfskräfte beschlossen. Ein Tarifvertrag würde auch für diese Gruppe 
von Arbeiter*innen eine regelmäßige Lohnanpassung in Tarifrunden, 
rechtlichen Schutz, das Ende von Einzelverträgen und persönlicher 
Abhängigkeit von Arbeitgeber*innen bedeuten. Nicht nur in Frankfurt, 
sondern überall muss dieser Forderung endlich nachgekommen werden!"

Daniel Jahnke, Referent für Angelegenheiten studentischer Hilfskräfte 
in Würzburg, bemängelt: "In dem aktuellen Entwurf des WissZeitVG wurde 
es verpasst, eine klare Regelung für die Verlängerung der 
Befristungsdauer aufgrund von Sorgearbeit, wie zum Beispiel 
Kindererziehung, zu finden. So bleiben Betroffene von der Willkür ihrer 
Arbeitgeber*innen abhängig. Ähnlich problematisch ist die Anrechnung von 
Teilzeitarbeit auf die Befristungsdauer. Bereits ab 25% Teilzeitarbeit 
wird die Stelle voll auf die Befristung angerechnet. Damit wird den 
betroffenen Beschäftigten die Möglichkeit genommen, sich genauso 
umfänglich zu qualifizieren wie ihre Kolleg*innen in Vollzeit. Vor allem 
Menschen, die Sorgearbeit leisten und daher auf eine Teilzeitstelle 
gehen müssen, sind davon betroffen. Da auch heute noch vor allem Frauen 
Sorgearbeit für Angehörige leisten, werden sie durch die aktuelle 
Regelung strukturell schlechter gestellt."

Konstantin Korn, Referent für Hochschulpolitik in Marburg, bemerkt: 
"Doch nicht nur die Beschäftigungsbedingungen sind desaströs, auch die 
Möglichkeiten, genau solche Missstände anzuprangern, möchte die 
Regierung weiterhin unterbinden. Das Tarifeinheitsgesetz bedeutet für 
viele gewerkschaftliche Organisationen faktisch einen Maulkorb. Dadurch 
darf nur noch die mitgliedsstärkste Gewerkschaft eines Unternehmens 
Tarifverhandlungen führen."

In vielen Städten formiert sich aufgrund dieser Umstände Protest. An 
vielen Hochschulen, u.a. Darmstadt, Marburg, Hannover, Vechta, 
Braunschweig, Lüneburg, Würzburg, Passau, Bamberg und Bonn wird es 
darüber hinaus Vollversammlungen studentischer Beschäftiger geben, die 
sich mit den angesprochenen Themen befassen.

Kontakt:
Marie Dücker: 015772532231
Sandro Philippi: 01782324494