[fzs-pressemitteilung] 40 Jahre NC-Urteil - 40 Jahre Grundrecht auf Hochschulstudium? Das war wohl nichts.

Erik Marquardt erik.marquardt at fzs.de
Mi Jul 18 16:12:02 CEST 2012


/Pressemitteilung des studentischen Dachverbands fzs - freier 
zusammenschluss von studentInnenschaften:/

*40 Jahre NC-Urteil - 40 Jahre Grundrecht auf Hochschulstudium? Das war 
wohl nichts.*

Berlin (fzs) - Heute jährt sich das berühmte "NC-Urteil" des 
Bundesverfassungsgerichts zum 40. Mal.
Das Bundesverfassungsgericht entschied am 18. Juli 1972, dass sich aus 
dem Recht auf Berufswahlfreiheit
in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und dem allgemeinen 
Gleichheitssatz das Recht auf Zulassung zum Hochschulstudium ergibt.
Die Richter ließen jedoch damals jedoch die Frage offen, ob aus einem 
Studienplatzmangel auch die Verpflichtung des Staates zur Schaffung von 
Kapazitäten folgt.
Angesichts des Zulassungschaos an den Hochschulen und den Prognosen für 
die kommenden Jahre ist ein Umdenken notwendig.

fzs-Vorstandsmitglied Torsten Rekewitz erläutert:
"Angesichts der momentanen Zulassungsprobleme und des Kapazitätsmangels 
an Hochschulen müssen wir die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 
in unser
Gedächtnis zurückrufen. Der Numerus Clausus wurde damals explizit als 
Notlösung für temporäre Engpässe betrachtet. Inzwischen sind harte NCs 
zum Regelfall für Studienbewerber*innen geworden. In einigen Fächern hat 
man selbst mit einem guten Abitur keine Chancen ohne Wartezeiten von 5 
oder 6 Jahren ein Studium aufzunehmen. Laut dem kürzlich 
veröffentlichten Bildungsbericht 2012 fehlen in den kommenden Jahren 
300.000 Studiermöglichkeiten. Zudem kommt das alljährliche Chaos bei der 
Studienplatzvergabe, wodurch trotz riesiger Nachfrage noch ungefähr 5% 
der Studienplätze frei bleiben werden. "

Das Urteil hielt die Hochschulen an, ihre Kapazitäten vollends 
auszuschöpfen.
Das Gericht legte damals jedoch fest, dass es sich um ein derivatives 
Teilhaberecht handelt, also ein Recht im Rahmen der zur Verfügung 
stehenden Mittel.
Diese Entscheidung wurde auch vor dem Hintergrund eines imaginären 
"Studierendenberges" in den 70er Jahren getroffen, den es nach damaligen 
bildungspolitischen Erwägungen zu untertunneln galt. So heißt es in dem 
Urteil unter anderem:
"/Bei Realisierung dieses Planes werden [...] ab 1975 genügend 
Studienplätze zur Verfügung stehen, um die Gesamtnachfrage befriedigen 
zu können./" (BverfG 33, 303). Inzwischen ist deutlich geworden, dass 
auch 40 Jahre nach dem Urteil die Gesamtnachfrage nicht befriedigt ist.

Erik Marquardt, ebenfalls fzs-Vorstandsmitglied erklärt hierzu abschließend:
"Angesichts der Doppelabiturjahrgänge, der Aussetzung der Wehrpflicht 
und einer Steigerung der Studierneigung stehen wir nicht nur vor schwer 
lösbaren Aufgaben, sondern vor der ernsthaften Frage, ob die momentane 
Zulassungspraxis an Hochschulen noch verfassungsgemäß sind.
Wir fordern deswegen einen Paradigmenwechsel in der Hochschulpolitik.
Die Zeit des blinden Wettlaufs um Forschungsreputation, Drittmittel und 
Rankingpositionen muss vorbei sein.  Die Schaffung von Kapazitäten an 
den Hochschulen und somit die Sicherstellung von Grundrechten muss 
absoluten Vorrang vor der Spitzenförderung haben.
Es muss aber auch erkannt werden, dass die Studienanfänger*innen 
momentan vielfach in eine Sackgasse geschickt werden, wenn ihnen das 
Masterstudium verwährt wird. Hier gibt es in einigen Studienfächern 
bereits jetzt große Probleme. In 3 Jahren wird sich die Zahl der 
jährlichen Bachelorabschlüsse und somit die Masternachfrage verdreifacht 
haben. Mit dem "Hochschulpakt" werden diese Probleme nicht lösbar sein.
Eine Lösung wird unserer Meinung nach nur durch ein 
Hochschulfinanzierungskonzept möglich, bei dem der Bund  ernsthaft 
Verantwortung übernimmt und das auf dem Grundpfeiler "Geld folgt 
Studierenden" aufbaut."


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