[fzs-pressemitteilung] Offener Brief an die Präsidentschaftskandidaten der Universität Potsdam - mit der Bitte um Veröffentlichung
Franz-Daniel Zimmermann
presse at asta.uni-potsdam.de
Do Sep 8 13:38:29 CEST 2011
mit der Bitte um Veröffentlichung
Offener Brief an die Präsidentschaftskandidaten
der Universität Potsdam
Unterzeichnet von:
• Studierenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) BRB
• Intelligenzija Potsdam
• Studierendenparlament (StuPa) der Universität Potsdam
• Allgemeiner Studierendenausschuss (AStA) der Universität Potsdam
Potsdam, 08.09.2011
An den zukünftigen Präsidenten der Universität Potsdam
Ihrem Selbstverständnis nach ist die Universität Potsdam „eine Hochschule im
Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne“. Weniger bekannt dagegen ist:
Diese Hochschule hebt sich auch durch engagierte Studierende,
Mitarbeiter*innen und
Lehrkräfte hervor, die sich hochschulpolitisch einmischen, die nicht
mĂĽde werden,
Missstände anzuprangern und deren Ziel es ist, unerträgliche Zustände
kooperativ und
solidarisch mit aller Entschlossenheit zu verändern. Den öffentlich
proklamierten
Erfolgen der Universität Potsdam stehen insbesondere in der Lehre
zahlreiche eklatante
Schieflagen gegenüber. Mit umso größerer Spannung erwarten wir deshalb Ihre
Ernennung und den darauf folgenden Amtsantritt an unserer Universität.
Mit unserem
offenen Brief möchten wir Sie schon vorab darüber in Kenntnis setzen,
wie sich die
momentane Situation fĂĽr uns darstellt und wie wir sie gemeinsam dringend
verändern
mĂĽssen.
Die ohnehin fragwĂĽrdige Exzellenz in der Lehre basiert auf ausbeuterischen
Verhältnissen in der Bezahlung von Lehrkräften. Befristete und damit
unsichere
Arbeitsverhältnisse sind die Regel und insbesondere der offiziell
ausgeblendete aber
strukturell sehr reale Missbrauch des Lehrauftrags fĂĽhrt zur
Prekarisierung. FĂĽr eine
eklatant geringe Aufwandsentschädigung tragen immer mehr prekär
Beschäftigte unter
enorm hohem Zeit- und Leistungsdruck einen signifikanten Teil der Lehre
– ohne
jegliches politisches Mitspracherecht, ohne jegliche Sicherheiten eines
ordentlichen
Vertrages, dafür aber zwangsläufig mit schweren psychosozialen Folgen.
Dieser
Entwicklung muss dringend Einhalt geboten werden, denn die negativen
Auswirkungen
betreffen Lehrende und Studierende gleichermaßen. Die Situation der prekär
Beschäftigten muss kurzfristig verbessert werden. Langfristig müssen prekäre
Arbeitsverhältnisse abgeschafft und durch adäquat entlohnte Stellen
ersetzt werden.
Das Studium stellt sich für immer mehr Studierende als Verlängerung der
Schule dar.
Fremdbestimmt werden Stundenpläne von Computerprogrammen erstellt, es
gibt kaum
Auswahl bei Seminaren und Vorlesungen – die Studierenden werden zum
Auswendiglernen und zum Schreiben von Klausuren in Massenabfertigung
verdammt. Wir
müssen dringend gemeinsam gegen das in der Universität mittlerweile
selbstverständliche Bulimie-Lernen ankämpfen, um wieder mehr Freiraum
fĂĽr einen
kreativen, kritischen Geist zu schaffen. Wir brauchen mehr Seminare,
konstruktive Lehr-
Lernmethoden, thematische Vielfalt, differenzierte
Leistungserfassungsprozesse statt
immer gleiche Reproduktion von Wissen.
AuĂźerdem muss das Studium endlich an die Lebenswelt der Studierenden
angepasst
werden. Das Studium sei ein Vollzeitjob, hören wir seit Jahren von der
Universitätsleitung. Ein großer Teil der Studierenden und Promovierenden
muss aber
neben der Arbeit an der Uni noch einem weiteren Job nachgehen, um den
Lebensunterhalt bestreiten zu können.
Neben vielen weiteren Punkten, die hier genannt werden sollten, muss der
offene
Rechtsbruch, der durch die drohende Zwangsexmatrikulation tausender
Diplom- und
Magisterstudierender derzeit durch die Universitätsleitung geplant,
argumentativ
vertreten und weiter durchgeführt wird, Erwähnung finden. Eine
Stellungnahme des
zukünftigen Universitätspräsidenten zu diesem Sachverhalt ist
unerlässlich. Wir fragen
Sie daher: Treten Sie fĂĽr die RĂĽcknahme der Aufhebung des
PrĂĽfungsanspruches fĂĽr
Diplom, Magister und Staatsexamen ein? Werden also diese Studierenden weiter
zurĂĽckgemeldet und nicht exmatrikuliert, so dass sie ihr Studium
entsprechend der bei
ihrer Immatrikulation mit der Universität vereinbarten Bedingungen
abschließen können,
unabhängig von rechtswidrigen Fristen?
Die genannten Missstände wurzeln nahezu alle in der chronischen
Unterfinanzierung des
brandenburgischen Bildungssystems, die durch die aktuell beschlossenen
KĂĽrzungen
weiter vorangetrieben wird. Das Problem verschärft sich durch ein zunehmend
neoliberalisiertes Verteilungsmodell, das einem gerechten Bildungssystem
diametral
zuwiderläuft. Deshalb möchten wir mit Ihnen gemeinsam die aktuellen
Entwicklungen
kritisch hinterfragen und Hochschule unter den Vorzeichen der
Gerechtigkeit neu denken
und verwirklichen. Unabdingbar dafĂĽr sind folgende konkrete, sofort
umzusetzende
MaĂźnahmen:
1. Die sofortige Verbesserung der Situation des akademischen Prekariats,
insbesondere
der Lehrbeauftragten und der Privatdozent*innen gemäß den Forderungen der
IntelligenzijaPotsdam.
2. Eine öffentliche Stellungnahme des zukünftigen Präsidenten gegen die
Zwangsexmatrikulation tausender Diplom- und Magister-Studierender.
3. Der Zugang zum Masterstudium muss allen Studierenden offen stehen.
4. Die Arbeitsbedingungen für studentische Beschäftigte müssen sich
verbessern und die
neuen Regelungen zum Teilzeitstudium müssen mit möglichst hoher Flexibilität
umgesetzt werden.
5. Die Finanzierung der Universität muss verbessert werden, indem höhere
Budgetfreigaben seitens des Landes Brandenburg und Zuwendungen des Bundes
gemeinsam erkämpft werden. Die Diskussion um die Einführung von
StudiengebĂĽhren
oder Studienkonten als Antwort auf die geplanten KĂĽrzungen halten wir
fĂĽr unsozial,
unredlich sowie unsinnig und lehnen sie deshalb ab.
6. Letztlich gilt es, die marktförmige Dynamik innerhalb der Universität
Potsdam und der
Bildungsinstitutionen insgesamt abzuwenden, da sie einem humanistischen
Bildungsideal
diametral entgegensteht.
In Hamburg protestierten Rektoren und Studierende gemeinsam gegen
HaushaltskĂĽrzungen. Wir wĂĽrden auch gerne mit Ihnen gemeinsam fĂĽr eine
besser
Bildung und gerechte Arbeits- und Studienbedingungen an der Universität
Potsdam
kämpfen. Sind Sie dazu bereit? Nutzen Sie die Chance und beziehen Sie
noch vor der
Anhörung im Senat Stellung zu den von uns angeführten Themen.
Mit hohen Erwartungen und freundlichen GrĂĽĂźen
• Studierenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) BRB
• Intelligenzija Potsdam
• Studierendenparlament (StuPa) der Universität Potsdam
• Allgemeiner Studierendenausschuss (AStA) der Universität Potsdam
--
Franz-Daniel Zimmermann
Referent fĂĽr Ă–ffentlichkeitsarbeit
Allgemeiner Studierendenausschuss der Universität Potsdam
Am Neuen Palais 10
Haus 6
D-14469
campuspolitik at asta.uni-potsdam.de
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