[fzs-pressemitteilung] Alles eine Frage des Blickwinkels
Florian Kaiser
florian.kaiser at fzs.de
Fr Apr 23 14:32:15 CEST 2010
Alles eine Frage des Blickwinkels
Studentischer Dachverband kritisiert Interpretation der 19.
Sozialerhebung
(fzs) Berlin. Am Freitag dem 23. April 2010 wurde die 19.
Sozialerhebung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung
und das Deutsche Studentenwerk vorgestellt. Die Sozialerhebung stellt
die wichtigste Datenquelle über die soziale Situation von StudentInnen
dar.
„Es ist erstaunlich, wie das BMBF seine einseitige Interpretation der
Sozialerhebung als Erfolg feiert“, stellt Florian Kaiser,
Vorstandsmitglied im freien zusammenschluss von studentInnenschaften,
verärgert fest. „Anstatt Ergebnisse kritisch zu hinterfragen und nach
Lösungsansätzen zu suchen, werden nur jene Zahlen hervorgehoben, die
das Ministerium in einem guten Licht erscheinen lassen.“
Die Sozialerhebung zeigt zwar, dass der Anteil der
StudienanfängerInnen, die im eigenen Bundesland studieren, gleich
geblieben ist, allerdings zieht es weniger SchulabgängerInnen aus
anderen Bundesländern in die Gebührenländer. „Die Sozialerhebung
beweist, dass Studiengebühren eine Moblitätshürde sind“, erklärt
Juliane Knörr, ebenfalls Mitglied im Vorstand des studentischen
Dachverbandes, und erläutert: „Im Vergleich zu 2006 ist der Anteil von
StudentInnen, die in ein gebührenpflichtiges Bundesland wechseln, von
25% auf 22% gesunken. Erschreckend ist auch, dass bei den BAföG-
EmpfängerInnen nur 2 bis 6% in einem anderen Bundesland ihr Studium
aufnehmen. Offensichtlich reicht das BAföG zur Sicherung des
Lebensunterhalts nicht aus.“
„Die Anzahl der geförderten StudentInnen ist im Vergleich zu 2006
gleich geblieben, lediglich die Ausgaben für das BAföG sind gestiegen.
Dies zeigt, dass die bisherige BAföG-Politik nicht ausreichend ist“,
kommentiert Kaiser. „Anstatt aber die richtige Schlussfolgerung zu
ziehen und das BAföG auszubauen, wird die Bundesregierung die
Elitenförderung zu Gunsten Weniger stärken. Chancengleichheit und
soziale Gerechtigkeit können so nicht erreicht werden.“
„Einerseits bestätigt das Ergebnis der Erhebung, dass immer mehr
BachelorstudentInnen aus Kostengründen bei ihren Eltern leben.
Andererseits werden genau jene StudentInnen nicht zu den <normalen>
StudentInnen gezählt“, berichtet Knörr und erläutert die Folgen: „Dies
führt zu einer Verzerrung der Daten, da so die StudentInnen mit einem
finanzstarken Familienhintergrund stärker berücksichtigt werden. Die
Daten fallen dadurch natürlich deutlich besser aus.“
„Die vorliegende Sozialerhebung bestätigt wieder, dass das deutsche
Bildungssystem einer extremen sozialen Selektion unterliegt und es
dringenden Reformbedarf gibt. Eine Umgestaltung des BAföGs in einen
eltern-, alters- und herkunftsunabhängigen Vollzuschuss wäre ein
deutliches Signal in die richtige Richtung. Frau Schavan muss
erkennen, dass ihre Studienfinanzierungspolitik an der Realität
vorbeigeht und zurücktreten“, macht Kaiser deutlich. Der freie
zusammenschluss von studentInnenschaften fordert die Bundesregierung
auf ihr bildungs- und sozialpolitisches Scheitern einzugestehen und
sich mit Lösungsansätzen zu beschäftigen, anstatt sich selbst zu
beweihräuchern.