[fzs-newsletter] Kalenderwoche 33
Jens Wernicke
jens.wernicke at fzs.de
Die Aug 14 12:07:44 CEST 2007
+++ IN EIGENER SACHE
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+++ INHALT
+++ THEMEN
1. Mehr "Freiheit" für die Hochschulen
2. Autobahnblockade hat teures Nachspiel
3. fzs verliert Mitglieder
4. Neues HIS-Magazin erschienen
5. "No way left?": Proteststrategien gegen neoliberalen Umbau
+++ TICKERMELDUNGEN
6. Die Humanressourcen leisten Widerstand
7. Unis sollen global für sich werben
8. Skepsis gegenüber Studiengebühren bleibt
9. Bildungsministerium genehmigt erste Fonds-finanzierte Hochschule
10. Widerstand der HochschullehrerInnen gegen die "unternehmerische" Freiheit wächst
11. Lernen im Gleichschritt – die schöne neue Hochschulwelt
12. DoktorandInnen wandern ab
13. NPD plant Schule in Brandenburg
14. Wozu braucht man Erkenntnisse, die keinen Profit bringen?
15. "Wir brauchen mehr ProfessorInnen"
16. Klage zum Studiengebührenboykott
17. Plakate und Bierdeckel sollen Studenten locken
18. Boykott-Scheitern auf Bayerisch
19. Boom treibt Preise und Kosten im MBA-Markt
20. Regierung will weiterhin die Studierendenquote auf 40 Prozent erhöhen
21. Gebühren verschärfen Situation behinderter Studierender.
22. Ausweiskontrollen in Vorlesungen
23. Vom Superstudi zum Betteldozenten
24. Bundesregierung beharrt auf Berufsverboten
25. "Jede Wissenschaft würde unter einem Anfangsverdacht stehen"
26. Verlierer von Geburt an
27. Studierendenrat beendet Boykott
+++ TERMINE
28. Offene Redaktionssitzung des fzs-Magazins, 16. August 2007, Köln
29. Sitzung des Ausschuss der StudentInnenschaften, 17. - 19. August 2007, Jena
30. Tagung des Arbeitskreis Antidiskriminierung des fzs, 24. - 26. August 2007, Düsseldorf
31. Moderationsseminar, 31. August - 2. September 2007, Hattingen
+++ THEMEN
1. Mehr "Freiheit" für die Hochschulen
Die Bundesregierung will das Hochschulrahmengesetz (HRG) aufheben und damit ein Signal geben, "die Hochschulen zugunsten von mehr
Wettbewerb aus der staatlichen Detailsteuerung zu entlassen". Zudem trage die geplante Aufhebung auch der Föderalismusreform
Rechnung, begründet die Regierung ihren Vorstoß. In einem Gesetzentwurf [1] schreibt sie weiter, mit der Reform seien unter anderem
die Rahmengesetzgebungskompetenzen des Bundes für die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens und für die Rechtsverhältnisse der
im öffentlichen Dienst der Länder stehenden Personen entfallen. Diese hätten in der Vergangenheit die Grundlage für die meisten
Regelungen des HRG gebildet. Daher solle das Gesetz zum 1. Oktober 2008 aufgehoben werden. Der Bundesrat hat gegen die Regelung
keine Einwände.
[1] http://dip.bundestag.de/btd/16/061/1606122.pdf
Hintergrundinformationen: http://www.nachdenkseiten.de/?p=2544
2. Autobahnblockade hat teures Nachspiel
In der Hochphase der studentischen Proteste in Hessen waren die GebührengegnerInnen sehr erfolgreich: Spontane Blockaden brachten
die Proteste bundesweit in die Medien und konnten die Öffentlichkeit auf die prekäre Lage der Studierenden aufmerksam machen. Für
die Blockade der Marburger Stadtautobahn am 11. Mai 2006 stand nun ein Studierender vor Gericht und ist zu einer Geldstrafe in Höhe
von 1.800 Euro wegen Nötigung und Gefährdung von Verkehrsteilnehmern verurteilt worden. Ein ähnliches Verfahren gegen drei weitere
Studierende wurde vertagt.
Hintergrund: http://www.hr-online.de/website/rubriken/nachrichten/index.jsp?rubrik=15662&key=standard_document_32466628
Hintergrund: http://www.jungle-world.com/seiten/2007/31/10345.php
Video:
http://www.hr-online.de/website/rubriken/nachrichten/index.jsp?rubrik=5710&key=standard_document_32466628&mediakey=fs/hessenaktuell/
20070806_studenten&type=v
Solidaritätserklärung: http://www.asta-marburg.de/modules.php?op=modload&name=PagEd&file=index&topic_id=1&page_id=1379
3. fzs verliert Mitglieder
Mehrere studentische Hochschulvertretungen haben ihren Austritt aus dem freien zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs)
erklärt [1, 2, 3, 4]. Wie der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Universität Marburg am 10. August bekannt gab, sind die
Asten der Universitäten Giessen, Marburg, Frankfurt, Darmstadt sowie die studentische Vertretung (StuRa) der Universität Chemnitz ab
sofort nicht mehr Mitglieder des fzs. Die Vertretungen begründeten ihren Austritt mit inhaltlichen Differenzen. Der fzs werde seiner
Funktion als politischer Akteur nicht mehr gerecht, erläuterte Karin Zennig, stellvertretende AStA-Vorsitzende der Universität
Marburg. Sie wolle keinen Dachverband, der zunehmend nach rechts rücke. Der fzs trete beispielsweise nicht genügend gegen den
Demokratieabbau an den Hochschulen und die Verschulung der Studiengänge ein. Teilweise trage er sogar dazu bei, erläuterte Zennig.
So begleite er aktiv die Akkreditierung der neuen Studiengänge.
[1] http://www.uebergebuehr.de/de/aktuell/news/meldung/ansicht/2007/08/hochschulen-erklaeren-fzs-austritt/
[2] http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25861/1.html
[3] http://www.taz.de/index.php?id=start&art=2949&id=deutschland-artikel&cHash=dbd475303b
[4] http://www.zwd.info/index.php?cat=1&group_id=102&id=6627&content_id=83&action=show_news
4. Neues HIS-Magazin erschienen
Wie leben die rund zwei Millionen Studierenden in Deutschland heute? Aus welchen sozialen Schichten kommen sie? Wie finanzieren sie
ihr Studium? Wie viele jobben nebenbei, wie viel Zeit wenden sie für das Studium auf? Seit mehr als 55 Jahren zeichnen die
Sozialerhebungen des Deutschen Studentenwerks ein Bild der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Studierenden in Deutschland. Die
HIS Hochschul-Informations-System GmbH führt die Untersuchung seit 1982 im Auftrag des DSW alle drei Jahre durch. Zwei
Schwerpunktthemen der 18. Sozialerhebung, die auch die öffentliche Debatte bei der Präsentation im Juni beherrschten, behandelt der
Leitartikel der dritten Ausgabe des HIS:Magazins: den sogenannten "Bildungstrichter" - d. h. die soziale Beteiligung an der
Hochschulbildung - und die Studienfinanzierung. Beides verweist – so viel sei vorweggenommen - auf die starke Abhängigkeit von
familiären Voraussetzungen und sozialer Herkunft. Außerdem unter anderem Thema im aktuellen Magazin: die Aufbereitung der sozialen
Dimension des europäischen Hochschulraums durch EUROSTUDENT, die Studienstrukturentwicklung in den Sprach- und Kulturwissenschaften,
die Kompatibilität des Hochschul-Management-Systems von HIS mit E-Learning-Komponenten etc.
Download: http://www.his.de/pdf/pub_mag/mag-200703.pdf
5. "No way left?": Proteststrategien gegen neoliberalen Umbau
Mehr als 70 Studierende aus dem gesamten Bundesgebiet diskutierten am vergangenen Wochenende in Marburg auf einem Sommercamp über
Perspektiven linker Hochschulpolitik. In Workshops analysierten die Studierenden hochschulpolitische Entwicklungen, die die
bisherige Form linker Hochschulpolitik grundlegend in Frage stellen. Zu diesen Entwicklungen gehören die neoliberale
Umstrukturierung der Hochschulen, Entdemokratisierungsprozesse und Veränderungen der Milieustruktur innerhalb der Hochschule.
Darüber hinaus verständigten sich die Studierenden über alternative Formen linker Hochschulpolitik. Von den Teilnehmenden wurde
insbesondere die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Auseinandersetzung über Formen und Inhalte linker Hochschulpolitik betont.
"Das Sommercamp kann nur ein erster Schritt sein. Es muss darum gehen, Orte der Kommunikation und kontinuierlicher linker
Theoriediskussion zu etablieren. Auf dem Camp ist deutlich geworden, dass eine grundlegenden Analyse der neoliberalen
Umstrukturierung der Hochschulen Voraussetzung einer Verständigung über Handlungsperspektiven linker Hochschulpolitik ist. Ein
Wochenende reicht zur Entwicklung einer solchen Analyse nicht aus, dazu brauchen wir Strukturen, die eine dauerhafte Diskussion
ermöglichen", betont Nikolai Huke, Referent für Hochschulpolitik im AStA Marburg und Mitglied des Organisationsteams. Noch in diesem
Jahr soll eine Broschüre erscheinen, die die Ergebnisse des Sommercamps dokumentiert. Der Schwerpunkt der
Veranstaltungsdokumentation wird auf Perspektiven linker Hochschulpolitik liegen, so die OrganisatorInnen. Im Februar 2008 ist eine
Folgeveranstaltung geplant, auf der die begonnene Diskussion fortgesetzt werden soll.
Hintergrund: http://www.no-way-left.de/
Hintergrund: http://linkszeitung.de/content/view/133104/50/
Hintergrund: http://www.uebergebuehr.de/de/aktuell/news/meldung/ansicht/2007/08/rege-beteiligung-am-sommercamp-no-way-left/
Eröffnungsbeitrag auf der Podiumsdiskussion des Kongresses »No Way Left? – Kritik, Analysen, Perspektiven linker Hochschulpolitik«
an der Universität Marburg von Torsten Bultmann (BdWi)
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
zunächst eine Vorbemerkung: Thema dieser Diskussion ist offenbar das, was man in traditioneller Weise die »Organisationsfrage«
nennt. In der Eingangsmoderation wurde das Spektrum von (Selbst-) Organisation an der Hochschule in der Spannweite zwischen
Parteiverband, parteiunabhängiger linker Strömung und studentischer Selbstverwaltung komplett aufgefächert. Ich möchte dazu sagen,
dass ich die genannten Momente von Organisation, die uns auf absehbarer Zeit auch an der Hochschule begegnen werden, nicht im Sinne
einer Gegenüberstellung, d.h. von sich ausschließenden Alternativen diskutieren kann. So ist etwa bezogen auf die ganze Gesellschaft
die Frage etwa, ob mensch sich in einer Partei oder gewerkschaftlich organisiert, auch keine echte Alternative: es handelt sich um
unterschiedliche Ansätze, im Sinne der eigenen Interessen auf politische Entwicklungen Einfluss zu nehmen und handlungsfähig zu
werden, die individuellen Kräfte, die dafür allein niemals ausreichen, zu potenzieren. Das ganze Thema wird dann noch einmal
überwölbt von der Debatte um die Zukunft des studentischen Dachverbandes, welcher offenbar durch politisch zu verantwortende
Handlungen in die Krise gebracht wurde.
Zweitens eine ganz grundsätzliche Eingangsbemerkung: Interessen, die im Kapitalismus nicht politisch repräsentiert sind, werden
öffentlich nicht wahrgenommen und sind damit de facto politisch nicht »vorhanden«; so, als gäbe es sie gesellschaftlich auch nicht!
Natürlich gibt es sie gesellschaftlich trotzdem, aber lediglich in individualisierter und marginalisierter, kurz: in politisch
irrelevanter, Form. Über die Politik, die offiziell und »im Großen« hierzulande durchgesetzt wird, lassen sich etwa
wissenschaftliche Analysen anstellen, die leicht zu dem Befund kommen, dass von dieser Politik nur die Interessen privilegierter
sozialer Minderheiten bedient werden. Dass diese Politik – etwa verkürzt als »Neoliberalismus« bezeichnet – trotzdem durchsetzbar
ist, hängt schlicht damit zusammen, dass die Interessen subalterner gesellschaftlicher Mehrheiten politisch nicht handlungsmächtig
sind, was auch eine Folge mangelnder politischer Repräsentation ist.
An den Hochschulen widerspiegelt sich diese seltsame Situation noch einmal ganz spezifisch. Wer beeinflusst eigentlich die aktuelle
Hochschulpolitik im maßgebenden Sinne? Um ein Beispiel zu nennen: Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) beansprucht etwa ganz
offiziell, nicht nur die Interessen der Rektoren, sondern der Hochschulen in ihrer Gesamtheit, also auch aller Mitgliedergruppen der
Hochschulen, zu vertreten! Solange noch die traditionelle Rektoratsverfassung bestand, in welcher der Rektor ein von der
Professorenschaft getragener primus inter pares war, vertrat die HRK vor allen Dingen die Interessen der Professoren. Nun
kritisieren aber konservative Professorenverbände die HRK schon seit längerem mit der Aussage, diese würde nur noch die Interessen
eines Teils der Hochschulverwaltungen vertreten, vor allen Dingen der neuen »starken« Präsidenten, die – eng beraten von
Consulting-Agenturen wie dem Bertelsmann-CHE – die wettbewerbspolitische »Modernisierung« der Hochschulen betreiben. An dieser
Aussage ist durchaus etwas dran, selbst wenn uns ihre politische Quelle nicht sympathisch ist. Ihre Stoßrichtung ist aber die
Erwartung, die HRK möge wieder in den Schoß traditioneller universitärer Standespolitik zurückkehren. Diese Position ist dann
wiederum im Ganzen in einem emanzipatorischen Interesse politisch nicht bündnisfähig – selbst wenn sie im Einzelnen früher dazu
geführt hat, dass die HRK oder ihr Vorläufer WRK gemeinsam mit den vereinigten deutschen studentenschaften (vds) oder dem späteren
fzs nachdrückliche Forderungen nach einer Erhöhung der staatlichen Grundfinanzierung der Hochschulen gestellt hat, was durchaus
richtig war!
An dieser Stelle eine aktueller Einschub. Während etwa die WRK früher – trotz genannter partieller Gemeinsamkeiten – tendenziell
eher geneigt war, die vds als »linksradikale« illegitime Vereinigung einzustufen, d. h. auf Konfrontation zu gehen, wächst nach
meiner Feststellung in den letzten Jahren die Bereitschaft der HRK, sich gemeinsam politisch mit dem fzs, etwa in Form von
Presseerklärungen, öffentlich zu zeigen. Das hängt m. E. damit zusammen, dass die HRK, genauer: das HRK-Präsidium, merkt, dass die
soziale Basis ihrer Politik an den Hochschulen zunehmend »enger« wird und sie auf dies Weise ihre formale Legitimation ausbauen
will. Diese Kooperationsbereitschaft des fzs wird nun vom einigen hessischen ASten scharf kritisiert. Ich würde das Problem aber
etwas anders fassen. Ausschlaggebend ist nicht die moralische Frage »Darf man mit der HRK zusammen arbeiten oder nicht?« (eine
Politik mit einschüchternden Verbotstafeln bzw. formalen Kontaktverboten führt in der Regel nicht weit). Die Frage ist doch eher, ob
im konkreten Fall einer solchen Kooperation etwas in Richtung autonom formulierter studentischer Interessen herauskommt und wie man
in derartigen Konstellationen zumindest Teilerfolge erzielen kann. Niemand ist allein dadurch politisch »wichtig« und mächtig, dass
er von der HRK zum Gespräch oder zum Buffet – oder von Anette Schavan zum Kaffeetrinken - eingeladen wird. Dieser durch den gesamten
parlamentarischen Mechanismus begünstigten »optischen Täuschung« unterliegen politische Funktionsinhaber zuweilen. Ob sich aus
gegensätzlichen Interessen eine gemeinsame Schnittmenge bzw. Konzessionen ergeben, hängt vor allem davon ab, wer von den Beteiligten
auf eine entsprechende (Gegen-) Öffentlichkeit und potentielle politische Mobilisierungsfähigkeit zurück greifen kann, zumal dann,
wenn er selbst nicht über »Macht« im traditionellen Verständnis verfügt. Die in hochschulpolitischen Milieus häufig anzutreffende
Polarisierung »Lobbyarbeit« versus »sozialer Bewegungsansatz« ist nicht zwangsläufig ein Gegensatz. Ein intelligenter Politikansatz
muss versuchen, auf beiden Klaviaturen zu spielen – und – um im Bild zu bleiben – die Melodien aufeinander zu beziehen.
Zurück zur Frage der Beeinflussbarkeit der Hochschulpolitik. Eine der gravierendsten Repräsentationslücken in diesem Bereich besteht
aktuell darin, dass die größte Gruppe des gesamten wissenschaftlichen Personals, das ist der sog. akademische Mittelbau, über keine
politische Vertretung auf Bundesebene verfügt (und auch kaum noch auf Landesebene), obwohl ca. zwei Drittel des Arbeitsaufwandes in
Forschung und Lehre von dieser Gruppe gestemmt wird. Damit ist sie faktisch von Entscheidungsprozessen, obwohl sie aus ihrer
beruflichen Erfahrung heraus zur Frage der Hochschulreform sehr viel beizutragen hätte, komplett ausgeschlossen. Vor diesem
Hintergrund ist aber die Frage, ob die größte Mitgliedergruppe der Hochschulen, die Studierenden, eine eigene Bundesvertretung
braucht, eigentlich keine reale Frage mehr! Sie beantwortet sich von selbst. Ein Verzicht auf eine eigene politische
Interessenvertretung führt zwangsläufig dazu, dass die Studierenden als soziale Gruppe nolens volens die »Vertretung« ihrer
Interessen an andere hochschulpolitische Akteure delegieren und damit auf Spielräume an politischer Autonomie verzichten.
Bis hierher habe ich immer mit dem Interessenbegriff operiert, ohne diesen näher zu erläutern. Politische Interessenvertretung ist
natürlich nicht per se emanzipatorisch, sondern kann, zumal an den Hochschulen, auch in einem konservativ-standespolitischen Kontext
begründet werden. Es gibt etwa Positionen, die Studiengebühren aus einem humankapitaltheoretischen Ansatz heraus ablehnen; Motto:
die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Standortes erfordert mehr Akademiker und Studiengebühren behindern diese Entwicklung! Nun
sind Interessen aber keine »Eigenschaft« oder etwas statisch Fixiertes. Anders gesagt: Interessen »hat« man nicht, politische
Interessen bilden und entwickeln sich - nicht zuletzt in Diskussionen, im Streit, in individueller Auseinandersetzung mit politisch
angebotenen Interpretationen, Analysen und Deutungsmustern. Genau darin liegt die Verantwortung politischer Zusammenschlüsse, nicht
zuletzt eines studentischen Dachverbandes, solche Diskussionen, ein derartiges Ringen um Meinungen und Positionen zu organisieren
und zu gewährleisten, was im Erfolgsfall dazu führt, dass studentische Interessen tendenziell mehrheitsfähig in einem
emanzipatorischen Kontext politisch interpretiert werden. Daraus ergibt sich zwingend, dass ein Dachverband intern pluralistisch
ausgerichtet sein muss und ganz gewiss nicht im Sinne (partei-)politischer Homogenität funktionieren kann. Wäre letzteres der Fall
würden nicht nur die notwendigen Diskussionen verhindert, welche eine Voraussetzung politischer Klarheit sind, sondern auch die
Basis der eigenen politischen Wirkung und öffentlichen Legitimation sukzessive abgebaut, quasi eine politische Selbstamputation.
Alle politischen Strömungen und ideellen Tendenzen, die es in der Gesellschaft gibt, finden auch an der Hochschule in der
studentischen Willensbildung ihren Ausdruck – mit einer wichtigen Nuance: seit 1967/1968 ist von einer strukturellen linken
Mehrheitsfähigkeit in den Studierendenvertretungen die Rede. Nun ist offenbar umstritten, inwieweit das heute noch gilt. Ungeachtet
dessen ist diese politische Willensbildung in der aktuellen Dachverbandskonstellation (noch) möglich und sollte nicht aufs Spiel
gesetzt werden. Das heißt weder zwangsläufig »Minimalkonsens« noch »Einheit um jeden Preis«, es schließt auch keineswegs politische
Mehrheitsentscheidungen und scharfen Streit aus. In grundlegenden Fragen der Zusammenarbeit und der Repräsentation eines solchen
Verbandes sollte aber eine politische Kultur und Praxis der gleichberechtigten Zusammenarbeit und des Kompromisses zwischen
verschiedenen politischen Strömungen herrschen. Andernfalls wäre das Projekt Dachverband gescheitert.
Dieses ist vermutlich nicht der Fall, weil sich sowohl KritikerInnen als auch politische RepräsentantInnen des aktuellen fzs
grundsätzlich positiv auf die Notwendigkeit eines studentischen Dachverbandes beziehen. Die ergibt sich schon daraus, dass man auch
in der dezentralen hochschulpolitischen Alltagspraxis immer wieder mit der Erfordernis einer bundespolitischen Präsenz konfrontiert
sein wird, weil anders die Probleme nicht lösbar sind. Anders gesagt: das Problem »Dachverband« holt einen immer wieder ein, selbst
wenn man sich von diesem formal verabschiedet hat. Vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Situation bestenfalls als eine
Übergangskonstellation zu begreifen, die weitere politische Schritte von allen Beteiligten drinnen und draußen, d.h. von allen
Seiten der Barrikade, erfordert.
+++ TICKERMELDUNGEN
6. Die Humanressourcen leisten Widerstand
http://jungle-world.com/seiten/2007/30/10306.php
7. Unis sollen global für sich werben
http://www.taz.de/digitaz/2007/07/30/a0142.1/text.ges,1
8. Skepsis gegenüber Studiengebühren bleibt
http://www.vdi-nachrichten.com/vdi_nachrichten/aktuelle_ausgabe/akt_ausg_detail.asp?source=rss&cat=1&id=34192
9. Bildungsministerium genehmigt erste Fonds-finanzierte Hochschule
http://www.mvregio.de/mvr/47754.html
10. Widerstand der HochschullehrerInnen gegen die "unternehmerische" Freiheit wächst
http://www.nachdenkseiten.de/?p=2528
11. Lernen im Gleichschritt – die schöne neue Hochschulwelt
http://www.nachdenkseiten.de/?p=2535
12. DoktorandInnen wandern ab
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/?sid=d83a4578d70b8b0b30cec6c12851789e&em_cnt=1185842
13. NPD plant Schule in Brandenburg
http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/392953
14. Wozu braucht man Erkenntnisse, die keinen Profit bringen?
http://www.welt.de/welt_print/article1088771/Wozu_braucht_man_Erkenntnisse_die_keinen_Profit_bringen.html
15. "Wir brauchen mehr ProfessorInnen"
http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/10994337/64289/
16. Klage zum Studiengebührenboykott
http://www.fr-online.de/frankfurt_und_hessen/lokalnachrichten/aktuell/?sid=9ff1fa9b681c5021a157155c80409276&em_cnt=1188508
http://linkszeitung.de/content/view/134814/61/
17. Plakate und Bierdeckel sollen Studenten locken
http://www.lr-online.de/regionen/brandenburg/art25,1735065
18. Boykott-Scheitern auf Bayerisch
http://www.zeit.de/campus/online/2007/32/gebuehrenboykott-bayern
19. Boom treibt Preise und Kosten im MBA-Markt
http://www.crosswater-systems.com/ej_news_2007_08_0053_mba.htm
20. Regierung will weiterhin die Studierendenquote auf 40 Prozent erhöhen
http://bildungsklick.de/pm/54756/regierung-will-weiterhin-die-studierendenquote-auf-40-prozent-erhoehen/
21. Gebühren verschärfen Situation behinderter Studierender.
http://www.kobinet-nachrichten.org/cipp/kobinet/custom/pub/content,lang,1/oid,15626/ticket,g_a_s_t
22. Ausweiskontrollen in Vorlesungen
http://www.uebergebuehr.de/de/aktuell/news/meldung/ansicht/2007/07/uni-marburg-studentenausweiskontrolle-in-vorlesungen/
http://www.uebergebuehr.de/de/aktuell/news/meldung/ansicht/2007/07/asta-marburg-entsetzt-ueber-ruecksichtslosigkeit-des-einfuehrungs
versuch/
23. Vom Superstudi zum Betteldozenten
http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/0,1518,496984,00.html
24. Bundesregierung beharrt auf Berufsverboten
http://www.jungewelt.de/2007/08-09/040.php
25. "Jede Wissenschaft würde unter einem Anfangsverdacht stehen"
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25922/1.html
26. Verlierer von Geburt an
http://www.zeit.de/2007/33/Kinderarmut
27. Studierendenrat beendet Boykott
http://www.lifepr.de/pressemeldungen/technische-universitaet-tu-ilmenau-/boxid-11551.html
+++ TERMINE
28. Offene Redaktionssitzung des fzs-Magazins, 16. August 2007, Köln
http://www.fzs.de/termine/event_262.html
29. Sitzung des Ausschuss der StudentInnenschaften, 17. - 19. August 2007, Jena
http://www.fzs.de/termine/event_256.html
30. Tagung des Arbeitskreis Antidiskriminierung des fzs, 24. - 26. August 2007, Düsseldorf
http://www.fzs.de/termine/event_257.html
31. Moderationsseminar, 31. August - 2. September 2007, Hattingen
http://www.fzs.de/termine/event_181.html
+++ IMPRESSUM
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