[fzs-pressemitteilung] Stellungnahme des freien zusammenschluss von studentInnenschaften zum dreiundzwanzigsten Änderungsgesetz zum Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).
Florian Kaiser
florian.kaiser at fzs.de
Fr Mai 7 16:26:06 CEST 2010
Stellungnahme des freien zusammenschluss von studentInnenschaften zum
dreiundzwanzigsten Änderungsgesetz zum
Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).
I. Einleitung
Der freie zusammenschluss von studentInnenschaften begrüßt die
Bestrebungen der Bundesregierung die Bedarfssätze und Freibeträge zu
erhöhen. Jedoch sind die vorgelegten Veränderungen nicht weitgehend
genug. Die Novellierung versucht lediglich die Defizite, die seit 2008
entstanden sind, auszugleichen. Frühere Versäumnisse werden nicht
beachtet. Positive Signale für die StudentInnen werden durch den
Gesetzesentwurf nicht in ausreichendem Maß gesetzt, obwohl dies
dringend nötig ist, wie sich durch die Studie „Studienberechtigte
2008“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung belegen lässt.
77% der Studienberechtigten geben an, dass das Fehlen finanzieller
Voraussetzungen gegen ein Studium spricht und 73% der Befragten sehen
Schulden als ein Hemmnis zu studieren an.
Auffällig ist die zeitliche Nähe des Gesetzesentwurfs zur Schaffung
eines Nationalen Stipendienprogramms zur 23. BAföG-Novellierung. Die
Bundesregierung versucht durch den gleichzeitigen Ausbau des BaföGs
als elternabhängige Studienfinanzierung das Stipendienprogramm als
elternunabhängige Studienförderung darzustellen, und nicht als reine
Elitenförderung, die es in Wahrheit ist. Der fzs kritisiert diese
Vorgehensweise aufs Schärfste.
II. fzs-Forderungen zur Ausgestaltung des BAföG
Aus Sicht des fzs muss eine Studienfinanzierung einige wenige
Mindestanforderungen erfüllen.
Herkunftsunabhängigkeit
Der fzs fordert den vollen Bildungszugang für alle Menschen,
unabhängig von deren familiärer oder regionaler Herkunft. Zu diesem
Zwecke bedarf es einer entsprechend eltern- und herkunftsunabhängigen
staatlichen Studienförderung.Diese Kriterien werden im derzeitigen
Gesetzesentwurf der Bundesregierung nicht erfüllt. Es muss endlich
gewährleistet werden, dass nicht die finanzielle oder familiäre
Situation darüber entscheidet, ob Menschen ein Studium aufnehmen
können. Ebenso darf hier auch die Nationalität keine Rolle spielen.
Mit einer Umstellung auf eine herkunftsunabhängige Förderung ist auch
eine Abkehr des Konzeptes der sozialen Schließung in Bezug auf die
Nationalstaaten und die Staatsangehörigkeit mitzudenken.
Als besonders überarbeitungsbedürftig erweisen sich dabei nach wie vor
drei Teilaspekte: Erstens ist dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
aus 1998 (Az.: 1 BvL 50/92), wonach die Ausbildungsförderung auch
elternunabhängig geleistet werden muss, wenn die Voraussetzung dafür
zwar nach BAföG nicht erfüllt sind, aber zugleich kein
Unterhaltsanspruch mehr vorliegt, immer noch nicht angemessen Rechnung
getragen. Das komplizierte Vorausleistungsverfahren in diesen Fällen
schreckt reihenweise Betroffene davon ab, ihre rechtlichen Ansprüche
geltend zu machen. Es wäre nach nunmehr Zwölf Jahren auch unter dem
Gesichtspunkt des „Lebenslangen Lernens“ an der Zeit nach geeigneteren
Lösungen zu suchen.
Zweitens bleibt der §2 Abs. 1a Satz 2 unberührt, wonach die
Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates eine Rechtsverordnung
erlassen kann, die eine Förderung von SchülerInnen mit eigenem
Haushalt ermöglicht, wenn die Verweisung auf das Elternhaus aus
schwerwiegenden sozialen Gründen unzumutbar ist. Eine solche
Rechtsverordnung wurde bislang von keiner Bundesregierung erlassen,
weshalb der Bundestag als gesetzgebendes Organ eingreifen und selbst
eine Regelung beschließen muss.
Drittens sind nach wie vor Fälle denkbar, in denen Studierende ihre
Hochschulzugangsberechtigung an deutschen Schulen erworben haben, aber
keinen BAföG-Anspruch auf der Grundlage des §8 (Staatsangehörigkeit)
haben. Dieser Zustand muss beendet werden.
Bedarfsdeckend Automatische jährliche Anpassung
Nach Auffassung des fzs ist eine gesetzlich verankerte, jährliche
Anpassung der Förderhöhen und Bedarfssätze an die allgemeine
Preisentwicklung ein absolut notwendiger Schritt, um das BAföG
regelmäßig an die Lebensbedingungen der Studierenden anzupassen und
damit seine Wirksamkeit zu erhalten. Die Anpassungen der letzten
Jahre, sowohl des Höchstsatzes als auch der Elternfreibeträge, haben
nicht einmal für einen Inflationsausgleich gesorgt.
Vollzuschuss
Das BAföG wurde bei seiner Einführung im Jahr 1971 als Vollzuschuss
konzipiert. Ziel war es, die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der
Erhöhung der Bildungsbeteiligung von Menschen aus finanzschwachen bzw.
bildungsfernen Schichten zu erhöhen. Die heutige Regelung bringt eine
drohende Verschuldung von bis zu 10.000 EUR allein aus dem BAföG-Bezug
nach einem Studium und zu Beginn einer Berufslaufbahn mit sich. Auch
dies hat eine hohe Abschreckungswirkung in Bezug auf die Aufnahme
eines Studiums . Dies gilt insbesondere für Menschen
aufsfinanzschwachen Herkunftsschichten. Für gerade diese Schichten ist
aber eine gesicherte Studienfinanzierungsmöglichkeit elementar wichtig
für die Aufnahme eines Studiums. Der Abschreckungswirkung von
Verschuldung für die Aufnahme eines Studiums ist durch die
(Re-)Konzeption des BAföGs als Vollzuschuss zu begegnen. Nur so kann
gewährleistet werden, dass jede/r unabhängig vom finanziellen
Hintergrund ein Studium beginnen kann, welches den individuellen
Neigungen und Fähigkeiten entspricht. Ganz so, wie es 1971 die
Zielsetzung der Einführung des BAföGs gewesen ist.
Ausreichend hohe Freibeträge
Die derzeitige durchschnittliche Förderungshöhe über alle BAföG-
EmpfängerInnen hinweg beträgt etwa 398 EUR. Dies ist jedoch bei weitem
nicht ausreichend für die Finanzierung der Lebenshaltungskosten. Aus
diesem Grunde sind viele BAföG-EmpfängerInnen zur Erwerbsarbeit
gezwungen. Allerdings sind die derzeit gewährten Freibeträge von 255
EUR pro Monat viel zu gering gestaltet. Hier ist eine politische
Entscheidung gefordert. Entweder das BAföG wird auch hinsichtlich der
Vergabepraxis so umgestaltet, dass alle EmpfängerInnen eine ihren
Lebensumständen angemessene Förderung erhalten oder die Freibeträge
für durch eigene Erwerbsarbeit erworbene finanzielle Mittel werden
ebenfalls an die tatsächlichen Realitäten angepasst und damit in der
Konsequenz ausgeweitet. Untätigkeit in diesem Fall wirkt sich sowohl
sozial als auch gesellschaftlich fatal aus. Aus Sicht des fzs ist
jedoch die ausreichend hohe individuelle Förderung zu bevorzugen.
Studierende mit Kind
Das Absolvieren eines Studiums ist ebenso wie die Kindererziehung eine
gesamtgesellschaftlich als wünschenswert einzuschätzende Leistung, die
die besondere Unterstützung der Gesamtgesellschaft erfordert. Fällt
beides zusammen, so ist hierauf besonders einzugehen, um
Mehrfachbelastungen abzumildern. Einer hohen Wertschätzung dieser
beiden Aufgaben widerspricht es jedoch, Studierende bei der
Kindererziehung finanziell und strukturell allein zu lassen, wie es
bisher leider der Fall ist. Um dem entgegenzuwirken, müssen aus Sicht
des fzs weitere Vorkehrungen geschaffen werden, damit ein Studium auch
mit Kind studierbar bleibt. Es müssen KiTa-Plätze ebenso wie
angemessene finanzielle Regelungen in ausreichendem Maße vorhanden
sein, um den finanziellen Mehraufwand studierender Eltern
auszugleichen. Von einer Rückforderung der gewährten Unterstützung –
seit Anfang des Jahre 2010 ist der Teilerlass der BAföG Schulden wegen
Kindererziehung entfallen – ist aus Sicht des fzs gänzlich abzusehen.
Durchschnittliche Regelstudienzeit
Ein wichtiger Aspekt bei der Planung und Durchführung eines Studiums
ist die Verlässlichkeit und Dauerhaftigkeit der individuellen
Studienfinanzierungsmöglichkeit. Wenn das BAföG an die Realitäten der
Studierenden angepasst werden soll, muss auch die Dauer der Gewährung
des BAföG diesem Anspruch genügen. Die derzeitigen Regelungen stehen
dem entgegen. Eine einfache Möglichkeit wäre hier, die Dauer der
Förderung an die tatsächliche durchschnittliche Studienzeit des
jeweiligen Studienfaches und damit an die Realitäten der StudentInnen
anzugleichen.
III. Bewertung des vorgelegten Entwurfs
Altersregelungen
Das Höchstalter für den Beginn einer Ausbildungsförderung wurde von 30
auf 35 Jahre erhöht. Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung,
jedoch wäre es sinnvoller, die Altersgrenze komplett aufzuheben, um
ein lebenslanges Lernen tatsächlich zu ermöglichen.
Bedarf von StudentInnen
Die Bedarfssätze sollen um 2% erhöht werden und die Freibeträge um 3%.
Konkret bedeutet dies eine Erhöhung des monatlichen Grundbedarfs um
7€. Dies ist nicht ausreichend. Der Wohnbedarf wird nicht in seiner
tatsächlichen Höhe, sondern nur als Pauschale berücksichtigt.Diese ist
mit 224€ monatlich zu niedrig bemessen – im Durchschnitt bezahlten
Studierende 2009 281€ für ihre Unterkunft – und berücksichtigt
außerdem keine regionalen Unterschiede im Mietniveau. Dies führt,
bedingt durch das hohe Mietgefälle in der BRD, zu gravierenden
Benachteiligungen. So benötigen beispielsweise StudentInnen in München
durchschnittlich 348€. An nur zwei Hochschulstandorten, Dresden und
Chemnitz, ist die Pauschale ausreichend, um die durchschnittlichen
Wohnungskosten von StudentInnen zu decken.
Wenn der Mietanteil nicht sachgemäß berechnet und berücksichtigt ist,
führt dies unweigerlich dazu, dass Teile des BaföGs nicht wie
vorgesehen zu Studienzwecken verwendet werden, sondern „das
Allernotwendigste“ mit dem Geld, das beispielsweise für Lernmittel
vorgesehen ist, querfinanziert werden muss. Der Bundesregierung ist
dies wohl bewusst, weshalb besonders scharf folgende Passagen in der
Begründung des Gesetzesentwurfes zu kritisieren sind:
„[Die Pauschalierung der Wohnkosten] erscheint umso mehr
gerechtfertigt, als die tatsächlichen Wohnkosten in den meisten Fällen
ohnehin die bisherige im Bedarfssatz enthaltene Wohnkostenpauschale so
weit übersteigen, dass die Ausbezahlung des bisher nachweisabhängigen
Zuschlags schon derzeit die Regel und nicht die Ausnahme ist“ (S. 39)
„So ergeben sich zugleich indirekte Anreize zugunsten von
Hochschulstandorten mit vergleichsweise geringen Mieten, die
insbesondere zugunsten der neuen Bundesländer wirken dürften.“ (S. 40)
Die Bundesregierung untergräbt damit ausdrücklich die Prinzipien von
Freizügigkeit und freier Berufswahl. Die Begründung ist zugleich dazu
geeignet, einer sozialräumlichen Segregation zwischen arm und reich
und zwar zwischen Ost und West Vorschub zu leisten. Dies konterkariert
das Ziel gleichwertiger Lebensbedingungen für das gesamte Bundesgebiet.
Der Bedarf für Studierende nach §§13 Abs. 2 und 3 bedarf einer weit
grundlegenderen Überarbeitung als es die Bundesregierung vorsieht. Es
ist nicht einzusehen, dass StudentInnen, die auf BAföG angewiesen
sind, sich noch nicht einmal eine durchschnittlich teure Wohnung
leisten können, ohne empfindliche Abstriche hinnehmen zu müssen oder
ihre Ausbildung zu gefährden1. Ferner müssen Heizkosten – zumindest
pauschaliert – Berücksichtigung finden.
Fachrichtungswechsel
Es ist zu begrüßen, dass der erste Fachrichtungswechsel aus wichtigem
Grund künftig keine Nachteile für StudentInnen nach sich ziehen wird.
1Der Rechtsprechung nach kann das der Fall sein, wenn 10€ oder mehr im
Monat kontinuierlich fehlen.